11. September 2012
Strukturelles Defizit im Kanton Basel-Landschaft – Trotz Sparpaket weiterhin Handlungsbedarf
Ausgangslage
Für eine prosperierende Wirtschaftsentwicklung im Kanton Basel-Landschaft ist es wichtig, dass der defizitäre Staatshaushalt dauerhaft und ohne Steuererhöhungen saniert wird. Mit dem Entlastungspaket 12/15 wurde daher ein erster Schritt in die richtige Richtung gemacht. Die Umsetzung des Pakets gestaltet sich schwierig. Mit dem negativen Volksentscheid zum Entlas- tungsrahmengesetz sowie dem nachträglich negativen Landratsentscheid zur Massnahme BUD-1 “Senkung des Angebots an wenig wirtschaftlichen ÖV-Linien“, fehlen mittlerweile rund CHF 28 Mio. Einsparungen, die andernorts kompensiert werden müssen. Zudem stehen mehre- re Initiativen im Raum, welche die Umsetzung verzögern oder gefährden könnten. Weiter kommt mit der Sanierung der Basellandschaftlichen Pensionskasse eine zusätzliche, grosse finanzielle Belastung auf den Kanton zu.
Es sind also weitere Anstrengungen nötig. Dies veranlasst die Handelskammer im vorliegenden Positionspapier Denkanstösse zu geben, sowie Ansatzpunkte aufzuzeigen, was aus Sicht der Wirtschaft zur Gewährleistung eines langfristig ausgeglichenen Kantonshaushaltes angegangen werden müsste. Dabei gehen wir davon aus, dass einem strukturellen Defizit in erster Linie mit Massnahmen auf der strukturellen Ebene zu begegnen ist. Die Handelskammer anerkennt, dass einige der aufgeführten Problematiken von der Baselbieter Politik und Verwaltung bereits erkannt wurden. Jedoch werden sie nicht ersichtlich oder zu wenig konsequent angegangen.
Ertragsseite
Die Baselbieter Politik sollte in ihren Bemühungen, das strukturelle Defizit zu beseitigen, nicht ausschliesslich auf das Sparen fokussieren. Auch Massnahmen, die sich mittel- und langfristig positiv auf der Ertragsseite niederschlagen, gilt es zu entwickeln. Baselland hat es seit Jahren versäumt, mit den Nachbarkantonen in Sachen Wirtschafts- und Ansiedlungsförderung Schritt zu halten. Ansässigen Unternehmen eine positive Entwicklungsperspektive zu bieten und neue Unternehmen und Arbeitsplätze anzusiedeln, ist das vordringliche Ziel. Hierzu gilt es auch die steuerliche Belastung zu analysieren und wo nötig deren Senkung in Betracht zu ziehen.
Beim Standortentscheid von Unternehmen ist die Belastung durch sämtliche Steuern, also auch die Einkommens- und Vermögenssteuer für die Mitarbeitenden, insbesondere für Mitarbeitende in Kaderpositionen massgebend. Im Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte sind in der Ten- denz Unternehmen in Hochsteuerkantonen – bei sonst identischen Bedingungen – bspw. ge- zwungen, den Arbeitnehmern höhere Bruttolöhne anzubieten. Zudem gibt es in der Schweiz eine empirische Evidenz, dass die Entscheidung von KMU zur Wahl des kantonalen Unterneh- mensstandortes stärker von der persönlichen Einkommenssteuer abhängt als von der Unter- nehmenssteuerbelastung1.
Wie im aktuellen Finanzplan richtig erkannt, ist der Kanton im interkantonalen Vergleich diesbe- züglich nicht attraktiv. Wer in Baselland mehr als rund CHF 120‘000.- pro Jahr verdient, bezahlt unter 17 untersuchten Kantonen die höchsten Steuern.2
Forderungen:
- Entwicklungspotentiale Wirtschaftsflächen anpacken. Der Kanton Basel-Landschaft verfügt über einige, für die Wirtschaftsförderung sinnvoll ein- setzbare Flächen. Im Legislaturprogramm 2012-2015 wird mit der anvisierten Schaffung von strategischen Entwicklungsgebieten die richtige Stossrichtung aufgenommen. Die geplante Erschliessungs- und Entwicklungsplanung ist mit den Gemeinden nun ohne Zeitverlust an- zupacken.
- Revision der Einkommens- und Vermögenssteuern vorlegen. Die Regierung ist aufgefordert, die im aktuellen Legislaturprogramm angekündigte und of- fenbar bereits ausgearbeitete Revision der Einkommens- und Vermögenssteuern zeitnah vorzulegen. Dabei empfiehlt es sich insbesondere eine Reduktion der Einkommenssteuer- sätze für hohe Einkommen zu prüfen sowie den Spitzensteuersatz der Vermögenssteuer – unter Beibehaltung der bevorzugten Steuerwerte von selbstbewohnten Liegenschaften – auf den gesamtschweizerischen Durchschnitt von 5 Promille (inkl. Gemeindesteuern) zu senken. Weiter ist für Vermögen mit geringer Rendite eine analoge Bestimmung wie im Steuergesetz des Kantons Basel-Stadt (§52)3 zu schaffen.
- Entwicklung der Unternehmenssteuern beobachten. In diesem Zusammenhang gilt es auch die gesamtschweizerische Entwicklung der steuerli- chen Belastung der juristischen Personen sorgsam zu beobachten und wenn nötig Mass- nahmen zu ergreifen. Denn auch bei der Gewinnsteuer gehört Baselland nicht zu den attraktiven Standorten (vgl. Anhang 1).
Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinden
Je näher die Aufgaben bei den Betroffenen angesiedelt sind, desto effizienter dürften sie erle- digt werden. Dies wird im Finanzplan 2012-2015 dann auch als Herausforderung taxiert. Eine Überprüfung der Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinden wird jedoch nicht initiiert. Gemäss dem Bericht zum Postulat betreffend strategische Überprüfung der Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinden versteht dies der Regierungsrat als Daueraufgabe, was aber offensichtlich nicht ausreicht. Mit einem Zentralisierungsgrad von rund 70% liegt Baselland über dem gesamtschweizerischen Durchschnitt. Dies deutet darauf hin, dass der Kanton viele Auf- gaben erbringt, welche in anderen Kantonen in der Verantwortung der Gemeinden liegen.
Forderungen:
- Die Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinden nach dem Subsidiaritätsprinzip reformieren. Aufgabengebiete, die besser bei den Gemeinden aufgehoben wären, sind jegliche Bereiche, in denen die Gemeinden die Aufgaben ihren eigenen Bedürfnissen und Ansprüchen entspre- chend erfüllen können und müssen. Speziell zum Tragen kommen diese Grundsätze z.B. im ganzen Bildungs- und Betreuungsbereich (Jung bis Alt, z.B. die ausserschulische Kinderbe- treuung – Vorschul- und Schulbereich, Mittagstisch, Aufgabenbegleitung, usw.) sowie Sport- bereich. Wichtig dabei ist, dass basierend auf dem Subsidiaritätsprinzip die Gemeindeauto- nomie jeweils situativ erhöht wird, d.h. dass die Trägerschaft alleine bestimmen kann und nicht wie heute wo kantonal einheitliche Vorgaben individuelle, effiziente und kostengünstige Lösungen verunmöglichen.
- Aufgaben konsequent, finanziell den Gemeinden oder dem Kanton übertragen. Die in der Praxis häufig praktizierte Methode, Aufgaben den Gemeinden zu überlassen und mit einer Finanzierungsbeihilfe des Kantons zu unterstützen, ist ein falscher Anreiz. Zurzeit zeichnet sich das bei der Unterstützung der Vorschulausbildung ab. Ein ähnliches Phäno- men ist bei der Pflegeversicherung zu sehen, wobei dort sogar drei Instanzen finanziell auf- treten: Bund, Kanton und Gemeinde. Die unklare Verantwortung kann man z.B. auch im Be- reich der Jugendmusikschule feststellen.
- Keine unreflektierte Lastenverschiebung. Eine unreflektierte Verschiebung von Aufgaben zu Lasten der Gemeinden ist mit den obigen Ausführungen nicht gemeint. Vielmehr muss eine Aufgabe vor deren Übertragung an die Gemeinden jeweils kritisch auf ihre Notwendigkeit und Zweckmässigkeit überprüft und an- schliessend bezüglich ihrer optimalen Erledigung zugeordnet werden.
Leistungseinkauf und Dienststellenstruktur
Massnahmen, welche konkret auf der strukturellen Ebene greifen, sind im Entlastungspaket in den direktionsübergreifenden Massnahmen Ü-1 bis Ü-4 sowie Ü-6 zu finden. Die zu erzielende Entlastungswirkungen sind bekannt, nicht aber die inhaltliche Ausgestaltung der Massnahmen. Diese wird erst jetzt definiert. Die Handelskammer empfiehlt dabei zusätzlich nachfolgenden Aspekt aufzunehmen.
Forderungen:
- Vermehrter Leistungseinkauf in Betracht ziehen. Bevor entsprechende Verwaltungsstrukturen aufgebaut oder erweitert werden, ist zu prüfen, ob für eine spezifische Aufgabe nicht bereits entsprechende Leistungserbringer existieren. So besteht bspw. mit dem Ausländerdienst Baselland ein Verein, der die Beratung, Förde- rung und Integration der im Baselbiet wohnhaften und erwerbstätigen ausländischen Arbeit- nehmenden und ihren Angehörigen bezweckt. Dieser Verein hat mit dem Kanton seit Jahren eine Leistungsvereinbarung. Seit 2008 wurden jedoch sukzessive Aufgaben vom bestehen- den Leistungserbringer abgezogen und von der kantonalen Fachstelle Integration übernom- men. Es stellt sich die Frage, ob die erfahrene, privatwirtschaftliche Institution diese Aufga- ben nicht effizienter und kostengünstiger erfüllen kann und damit die entsprechenden Leis- tungen nicht wieder beim Ausländerdienst Baselland eingekauft werden müssten.
- In beiden Basler Kantonen geführte Dienststellen zusammenlegen. Im Zuge der Überprüfung der Verwaltungsstruktur, das heisst der Zentralisierung von Dienststellen, Abteilungen und Aktivitäten, gilt es verstärkt auch die Zusammenlegung von Dienststellen, welche jeweils in beiden Basler Kantonen geführt werden, zu prüfen. Ib. im den Bereichen Mobilität und Raumentwicklung besteht ein hoher Koordinations- und Abspra- chebedarf der damit gemindert werden könnte. Als gutes Beispiel kann die Geschäftsstelle Agglomerationsprogramm Basel aufgeführt werden.
Weiteres Einsparungspotential
Im Entlastungspaket wurde die Finanzlage als solches ausgiebig hinterfragt und überprüft. Es wurde ein Inventar aller Aufgaben erstellt. Eine umfassende und tiefgreifende Ursachenanalyse vom strukturellen Defizit ist auch die Grundlage um allfälliges weiteres Einsparpotential in den verschiedenen Bereichen zu lokalisieren. Im selben Zusammenhang zu sehen, ist die Fragestellung, ob die im Entlastungsrahmengesetz zusammengefassten Einzelmassnahmen allenfalls nicht ein weiteres Mal als Einzelvorlagen gebracht werden könnten.
Forderungen:
- Einsparungspotential des Entlastungspakets konsequent nutzen und zusätzliches eruieren. So stellt sich bspw. die Frage, ob bei der Bildung von Klassen nicht gewisse Einsparungen zu realisieren wären. Bekanntlich bildet die Anzahl Schulklassen einen entscheidenden Kos- tenfaktor. In der Vernehmlassungsvorlage vom 7. März 2012 betreffend Änderung von § 11 des Bildungsgesetzes werden Zahlen aufgeführt, die belegen, dass sich die durchschnittli- chen Klassengrössen auf allen Stufen der Volksschule signifikant und im Fall der Primar- schule (mehrstufig) sogar massiv unter den Richtzahlen bewegen. In der erwähnten Ver- nehmlassungsvorlage werden die Kosten bspw. einer Primarklasse mit CHF 240‘000.- ver- anschlagt. Mittels konsequenter Umsetzung der Richtzahlen bei der Klassenbildung auf allen Schulstufen – inkl. Sekundarstufe II – liessen sich demnach Einsparungen erzielen, ohne dabei Bildungsabbau im gesetzlichen Sinn betreiben zu müssen.
- Einzelvorlagen aus dem Entlastungsrahmengesetz herauslösen. Das „Nein“ zum Entlastungsrahmengesetz ist ernst zu nehmen. Die Handelskammer erach- tet eine allfällige Wiederaufnahme einzelner Massnahmen dennoch als sinnvoll. Es gilt zu prüfen, ob das Baselbieter Stimmvolk mit seinem Verdikt alle im Entlastungsrahmengesetz enthaltenen Massnahmen ablehnte, oder ob einige auch grundsätzlich Zustimmung fanden. Letztere gilt es herauszufinden und anschliessend als Einzelvorlage nochmals aufzunehmen.
Personalaufwand
Ein gesamtschweizerischer Vergleich zeigt, dass der Personalaufwand der Baselbieter Verwal- tung von 2000-2007 mit einer jährlichen Wachstumsrate von rund 4.5 Prozent pro Kopf über dem gesamtschweizerischen Durchschnitt von rund 3.6 Prozent liegt (vgl. Anhang 2). Nur die Kantone Basel-Stadt, Nidwalden, Neuenburg, Solothurn und St. Gallen weisen im betrachteten Zeitraum ein noch höheres Wachstum des Personalaufwandes aus. Interessant ist, dass der Kanton Aargau – in seiner Struktur der Gebietskörperschaften mit Baselland vergleichbar – mit 2.1 Prozent ein deutlich geringeres Wachstum des Personalaufwandes pro Kopf aufweist. Ab 2008 wird das Spitalpersonal in der hier betrachteten Statistik nicht mehr ausgewiesen4. Trotzdem wächst der Baselbieter Personalaufwand jährlich mit 3.4 Prozent weiter, eine Trend- wende scheint nicht in Sichtweite zu sein. Die in der direktionsübergreifenden Massnahme Ü-2 angestrebte Optimierung des Personalwesens ist daher unumgänglich.
Forderung:
- Optimierung des Personalwesens umsetzen. Die Baselbieter Politik ist aufgefordert, über die Parteigrenzen hinaus zusammenzustehen und die in der direktionsübergreifenden Massnahme Ü-2 aufgeführten Ansatzpunkte zur Überprüfung des Personalaufwandes ohne Kompromisse umzusetzen.
Haushaltsdisziplin
Im Entlastungspaket wird berechtigterweise festgestellt, dass ein dauerhaft ausgeglichener Staatshaushalt nur mit einer verstärkten Haushaltsdisziplin erreicht werden kann. Für eine rest- riktive Finanzpolitik sieht die Handelskammer nebst der Regierung auch klar das Parlament in der Pflicht.
Forderung:
- Haushaltsdisziplin in Regierung und Landrat wahren. Beim Beschluss von neuen Ausgaben oder dem generieren von neuen Aufgaben sollte sich die Regierung und insbesondere auch Landrat immer über deren langfristigen Konsequen- zen auf die Erfolgsrechnung im Klaren sein und dies bei der Beschlussfassung entsprechend berücksichtigen. Was sich der Kanton unter der Berücksichtigung der zu erwartenden Er- tragslage nicht leisten kann und was für die heutige und künftige Erfüllung der öffentlichen Aufgaben nicht zwingend notwendig ist, darf auch nicht beschlossen werden.
1 Vgl. Steuerpolitik und Mobilität: Einfluss der Besteuerung auf Arbeits- und Wohnsitzwahl der Haushalte sowie auf Standortent- scheidungen der Unternehmen, EFD, Mario Morger, 08.06.2012, S.12
2 Vgl. BAK TAXATION INDEX 2011
3 „Für steuerpflichtige Personen, deren Vermögenssteuer und deren Einkommenssteuer auf dem Vermögensertrag zusammen den Betraf von 50% des Vermögensertrags übersteigen, ermässigt sich die Vermögenssteuer auf diesen Betrag, höchstens jedoch auf 1.15 Promille des steuerbaren Vermögens.“
4 Mit dem Rechnungsjahr 2008 passte der Bund die Finanzstatistik an die neuen Rechnungslegungsmodelle an. Die Reform hat einen grossen Strukturbruch zur Folge. Auf Kantonsebene werden z.B. die öffentlichen Spitäler nicht mehr dem Sektor Staat son- dern dem Sektor öffentliche Unternehmen zugeordnet. Diese Anpassungen führen dazu, dass die Zahlenreihen ab 2008 mit den vorangegangenen Jahren nicht mehr vergleichbar sind.
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